Eine wichtige
Entscheidung hat das Amtsgericht Hamburg jüngst zu den Abmahnungen bei
Filesharing-Downloads getroffen: Der Kläger verlangte als Hersteller eines
Pornofilms die Erstattung von Abmahnkosten und lizenzanalogen Schadensersatz
für das von ihm behauptete widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines
Pornofilms durch den Beklagten über eine so genannte Internettauschbörse (36a C 134/13).
Der Beklagte nutzte einen
W-Lan-Internetanschluss zusammen mit
seiner Lebensgefährtin. Der Kläger begehrte mit seiner Klage Erstattung der
Anwaltskosten für die Abmahnung des Beklagten sowie so genannten lizenzanalogen
Schadensersatz. Die Abmahnkosten berechnete er auf Grundlage eines Gegenstandswertes
von 22.500 € für den Unterlassungsanspruch. Den lizenzanalogen
Schadensersatzanspruchs hielt er mit 400 € für angemessen beziffert. Er
behauptete, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben. Zum behaupteten
Verletzungszeitpunkt sei er mit seiner Lebensgefährtin zum Grillen bei
Arbeitskollegen eingeladen gewesen. Sein W-Lan sei mit einer WPA-Verschlüsselung mit
Sicherheitsschlüssel und Password betrieben worden. Der Beklagte sei als
Täter der vom Kläger vorgetragenen Urheberrechtsverletzung anzusehen. Die korrekte
Ermittlung der IP-Adresse und deren richtige Zuordnung zum Internetanschluss
des Beklagten sind unstreitig. Der Beklagte bestritt lediglich seine
Täterschaft. Nach der Rechtsprechung spricht aber eine tatsächliche Vermutung
dafür, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist,
wenn über eine seinem Anschluss zuzuordnende IP-Adresse ein geschütztes Werk
öffentlich zugänglich gemacht wird. Der Anschlussinhaber, der geltend macht,
jemand anders habe die Rechtsverletzung begangen, trägt nach der Rechtsprechung
des BGH eine sekundäre Darlegungslast.
Das Gericht hielt seinen Vortrag nicht für ausreichend in diesem Sinne. Ihn sei
es nicht gelungen, die Vermutung mit seinem Vortrag zu erschüttern. Der
Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, wie er und seine Lebensgefährtin den
Internetanschluss konkret nutzten. Es sei unklar, ob jeder ein eigenes Gerät
hatte oder ob sie eines gemeinschaftlich nutzten und auch nicht, ob seine
Lebensgefährtin in dem in Rede stehenden Zeitpunkt bzw. Zeitraum den
Internetanschluss überhaupt konkret genutzt hat. Selbst sein Vortrag zu seiner
persönlichen Abwesenheit am sei nicht ausreichend, da der Download nicht die
persönliche Anwesenheit eines Menschen erfordere. Es reiche aus, dass ein mit
einer Filesharingsoftware
ausgestattetes Gerät mit dem Internet verbunden ist. Mit dem
Zurverfügungstellen der Filmdatei in der Tauschbörse habe der Beklagte den Film
auch widerrechtlich gemäß § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.
Interessant
sind nun aber die Überlegungen des Gerichts zur Höhe der Lizenzanalogie. Aus § 97 Abs. 2 UrhG schulde der Beklagte einen
sog. lizenzanalogen Schadensersatz, den das Gericht hier gemäß § 287 ZPO mit 100 € bemisst. Dafür ist
in erster Linie auf eine eigene Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers
abzustellen. Die konkrete Nutzungsart - Angebot in einer Internet-Tauschbörse -
lizenziere der Kläger jedoch nicht. Die vom Kläger vorgetragenen Lizenzierungsarten
waren daher nach Auffassung des Gerichts nicht einschlägig. Die Nutzung fand
außerhalb einer gewerblichen Tätigkeit im privaten Bereich statt. Der Beklagte
erziele damit keine Einkünfte. Es könne
zudem allenfalls um die Bewertung eines
einfachen Nutzungsrechtes gehen, da der Kläger von sämtlichen, jedenfalls
aber sehr vielen ermittelten Tauschbörsenteilnehmern bezogen auf einen Film jeweils lizenzanalogen Schadensersatz
fordert. Dann würden aber mehrere einfache Nutzungsrechte nebeneinander bestehen,
was bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzentgeltes, wenn denn ein
solches vereinbart worden wäre, ebenfalls entscheidend zu berücksichtigen wäre.
Die gewerbliche Nutzung ist etwas völlig anderes als die private
Internetnutzung und das Angebot im privaten Bereich an illegale
Tauschbörsennutzer.
In diesen
Fällen sei der lizenzanaloge
Schadensersatz gemäß § 287 ZPO nach freier richterlicher Überzeugung zu
schätzen. Danach erachtete das Gericht 100 € für den in Rede stehenden
Pornofilm als lizenzanalogen Schadensersatz für angemessen, aber "auch
allemal ausreichend". Denn die Anzahl der Downloads sei nicht bekannt. Zudem
könne ohne weitere Anhaltspunkte nicht
von einer längeren Nutzungsdauer als maximal einen Tag ausgegangen werden.
Das nächste
Argument ist bisher in der Rechtsprechung kaum zum Zuge gekommen, aber sehr
wichtig: Weiter sei nämlich im Rahmen der Schätzung des sog. lizenzanalogen
Schadensersatzes zu berücksichtigen, dass das Angebot in einem
Filesharing-Netzwerk von vorneherein gerade nicht an eine unbegrenzte
"weltweite Öffentlichkeit" gerichtet ist, sondern lediglich an die Teilnehmer eben dieses
konkreten Netzwerkes, mag deren Anzahl selbst auch nicht bzw. schwer feststellbar
oder begrenzbar sein, die nicht legale Angebote im Internet nutzen. Dieser
Personenkreis ist von vornherein erheblich eingeschränkt. Angesichts dessen,
dass die meisten Angebote in solchen Tauschbörsen illegal sind, kann nämlich
nicht unterstellt werden, es handele sich dabei um eine Anzahl von Nutzern, die
der Internetnutzerschaft insgesamt
auch nur ansatzweise entspreche. Dies gilt umso mehr, als es sich offenbar um
einen deutschsprachigen Film handelt und zudem aufgrund entsprechender Berichterstattung
in allen Medien zumindest in Deutschland inzwischen weitgehend bekannt sei,
dass die Nutzung von Internettauschbörsen häufig illegal ist.
Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten
bestehe demgegenüber für den Kläger nicht. Die Abmahnung war nicht berechtigt
und konnte somit mangels Erforderlichkeit weder nach § 97a Abs. 1 S. 2 a.F.
UrhG noch nach §§ 683, 670 oder im Wege eines Schadensersatzanspruchs
Kostenfolgen für den Beklagten verursachen. Die isolierte Geltendmachung der
Abmahnkosten sei unzulässig bzw. die Abmahnung nicht berechtigt, da für eine
zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht notwendig sei. Wichtig war für das
Gericht das Verhalten eines Klägers. So war wiederholt erfolglos abgemahnt
geworden, die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung blieb
aber. Dennoch hat der Kläger bis heute keine Unterlassungsklage erhoben. Einen
plausiblen Grund habe er dafür nicht genannt. Was gilt, wenn der Beklagte nicht
bereit ist, die verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärungen abzugeben,
weil er sich nicht als Störer betrachtet?
Hier kam das
Gericht zu einem originellen Schluss: Bei dieser Sachlage könne nicht mehr
davon ausgegangen werden, dass die Abmahnungen dem Interesse und dem
mutmaßlichen Willen eines Beklagten entsprechen. Ein Ersatz der Abmahnkosten
nach den Grundsätzen über die
Geschäftsführung ohne Auftrag scheide aus. Zu kommentieren ist, dass
zahlreiche Abmahnungen wohl nie dem mutmaßlichen Willen eines Anspruchsgegners
entsprechen. Denn es ist gerade nicht zwingend der kostengünstige Weg im
Vergleich zu einem Klageverfahren, wie die Praxis bzw. die außerprozessuale
"Preisbildung" bei Abmahnern belegt.
Insbesondere
aber an einer berechtigten Abmahnung fehlte es nach Meinung des Gerichts in
Fällen wie diesen. Berechtigt sei eine Abmahnung dann, wenn sie objektiv erforderlich ist, um dem
Abgemahnten den kostengünstigen Weg aus dem Konflikt zu zeigen bzw. wenn sie
notwendig ist, um den Streit ohne ein gerichtliches Verfahren zu beenden. So
soll ein kostspieliger Unterlassungsprozess vermieden werden. Droht jedoch gar
kein Unterlassungsprozess (weil der Kläger jedenfalls nicht auf Unterlassung,
sondern nur auf Schadensersatz klagen will), kann die Abmahnung einen Prozess
auch nicht verhindern helfen und ist daher nicht berechtigt. Sie erfolge dann
auch nicht im Interesse und mit dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten, so
dass auch die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorliegen.
Der Beklagte hatte vorprozessual keine Unterlassungsverpflichtungserklärung
abgegeben und im Prozess darauf hingewiesen und auch moniert, dass es dem
Kläger offensichtlich nur um den Zahlungsanspruch, nicht aber um die
Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs gehe. Jedenfalls in einem Fall wie
diesem, in dem der Beklagte die fehlende Weiterverfolgung des
Unterlassungsanspruchs ausdrücklich rügt und keine Unterlassungserklärung
abgibt, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Abmahnung unberechtigt war: Der
Beklagte hat die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht
abgegeben. Der Kläger hätte dann aber konsequenterweise seinen
Unterlassungsanspruch ebenfalls gerichtlich geltend machen müssen. Dass er das
trotz der eindeutigen Erklärung des Beklagten und - später noch - des
gerichtlichen Hinweises nicht getan habe, zeige, dass es ihm letztlich nicht
ernsthaft um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gehe. Es bestehe dann
auch kein schutzwürdiges Interesse des Beklagten, nicht mit einem teureren
Unterlassungsprozess konfrontiert zu werden. Denn es stehe ihm frei, eine
verbindliche Unterlassungsverpflichtungserklärung auch ohne Präjudiz für die
Sach- und Rechtslage abzugeben, um so den Unterlassungsprozess zu vermeiden.
Es bleibt
abzuwarten, wie andere Gerichte darauf reagieren. Haben Sie ähnliche Probleme, dann kontaktieren Sie uns doch.
Rechtsanwalt Dr. Palm