2014/12/26

Namensänderung und Volljährigenadoption

Grundsatz: Ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, wenn dies sittlich gerechtfertigt ist und ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits besteht. Für die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung sprechen Gemeinsamkeit, familiäre Bindungen und eine innere Zuwendung. Anzeichen für das Bestehen einer solchen Beziehung sind insbesondere ein langjähriger enger persönlicher Umgang der Beteiligten sowie eine gegenseitige Unterstützung in schwierigen Zeiten.

Zum Namen: Für die Annahme Volljähriger als Kind gelten die Vorschriften über die Annahme Minderjähriger sinngemäß. Der Anzunehmende erhält als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden. Nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 PStG hat der Standesbeamte bei einer Änderung des Personenstandes des Kindes eine Folgebeurkundung zum Geburtsregistereintrag aufzunehmen. Zu einer Änderung des Personenstandes zählt auch die Annahme als Kind, bei welcher durch staatlichen Rechtsakt ein neues Eltern-Kind-Verhältnis begründet wird. Gem. § 1757 Abs. 1 und 3 BGB spricht das Gericht die Änderung des Familiennamens im Adoptionsbeschluss aus. Danach ist es auch bei der Annahme eines volljährigen Kindes zwingend, dass der Angenommene als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden erhält. Erklären der Annehmende oder das volljährige Kind, dass die Annahme nur unter der Bedingung der Beibehaltung des bisherigen Geburtsnamens erfolgen soll, so ist der Antrag nach der Rechtsprechung zurückzuweisen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Ehegatte widerspricht.

Der bisherige Familienname kann in Fällen nur unter den Voraussetzungen des § 1757 Abs. 4 S.1 Nr. 2 BGB dem neuen Familiennamen vorangestellt oder angefügt werden, aber nur dann, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Mindermeinung: Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Frage, ob der Angenommene seinen Geburtsnamen aus schwerwiegenden Gründen beibehalten kann, ist nicht einheitlich. Während die überwiegende Zahl der Gerichte die Beibehaltung des Geburtsnamens des Adoptivkindes auch im Falle der Erwachsenenadoption nicht zulässt, belassen andere Gerichte dem volljährigen Adoptivkind unter bestimmten Voraussetzungen seinen Geburtsnamen .

Lässt sich das durch eine Namensänderung ändern? Wenn die nach der Erwachsenenadoption durchgeführt werden soll, besteht dieses Problem: Zur Darlegung des für die Namensänderung erforderlichen wichtigen Grundes kann nicht auf Schwierigkeiten oder Belastungen verwiesen werden, die sich durch eine nach Maßgabe des Familienrechts getroffene Bestimmung über die Namensführung ergeben, als solche voraussehbar waren, bei der familienrechtlichen Namenswahl hätten mitbedacht werden können und müssen und die weder das zumutbare noch das zu erwartende Maß überschreiten.

Insofern ist die Namensänderung sowohl vor wie nach der Volljährigenadoption ein Problem, denn im ersten Fall wird sie gegenstandslos und im zweiten Fall muss man mit den vorbezeichneten Einwendungen rechnen.

Rechtsanwalt Dr. Palm

2014/12/24

Aufenthalt Unternehmen Finanzierung Arbeitsplätze Aufenthaltserlaubnis

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis besteht, die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist. Die ersten beiden Voraussetzungen sind nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in der Regel gegeben, wenn mindestens 250.000 Euro investiert und 5 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Rechtsanwalt Dr. Palm

2014/05/29

Beendigung einer Liebesbeziehung - Was geschieht mit intimen Foto- und Videoaufnahmen?

Wir haben in der Kanzlei einen Fall bearbeitet, der gar nicht so selten ist, dass nach dem Ende einer Liebesbeziehung intime Fotos plötzlich auf Erotik-Seiten des Netzes oder auf Community-Sites publiziert werden. Diese hässlichen Aktionen werfen die Frage auf, inwieweit hier Unterlassungsansprüche und Ansprüche auf Schmerzensgeld realisiert werden können. In unserem Fall wurde ein durchaus empfindliches Schmerzensgeld bezahlt und zudem  verschwanden die Bilder aus dem Netz. Allerdings ist in diesen Fällen nie auszuschließen, dass solches Bildmaterial auf noch unbekannten Seiten veröffentlicht wird oder aber auf Festplatten darauf wartet, "wiederentdeckt" zu werden. Im Zweifel ist es besser, sich erst gar nicht fotografieren zu lassen. Doch welche Rechte hat man, wenn eine Beziehung zu Ende geht und das ungute Gefühl besteht, bestimmte Fotos in der Hand des Ex-Partners wären besser nicht vorhanden.

Dass die während  einer Beziehung im Einvernehmen Bildanfertigung noch keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person darstellt, versteht sich von selbst. Solche Einwilligungen haben im Zweifel auch zum Inhalt, dass der Andere die Aufnahmen im Besitz hat und über sie verfügt. Doch hier gibt es das Institut des "Widerrufs". Der Widerruf des Einverständnisses ist gerade nicht ausgeschlossen, wenn aufgrund veränderter Umstände dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen Vorrang vor der Zustimmung zu geben, die in der Vergangenheit erteilt wurde. Das ist nach Beendigung der Beziehung nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz der Fall, wenn es sich um intime und damit den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffende Aufnahmen handelt. Der Anspruch auf Löschung digitaler Fotografien und Videoaufnahmen soll nach dem Oberlandesgericht  Koblenz vom 20. Mai 2014, Az. 3 U 1288/13  auf diesen Bereich beschränkt sein. Der Beklagte war Fotograf. Während der   Beziehung wurden einvernehmlich zahlreiche Bildaufnahmen der Klägerin gefertigt, darunter auch intime Aufnahmen, die sie - teilweise selbst gefertigt  - dem Beklagten in digitalisierter Form überlassen hat.

So heißt es in der Pressemitteilung: Mit der Klage geltend gemachte Ansprüche es zu unterlassen, die Aufnahmen Dritten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat der Beklagte anerkannt. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, die in seinem Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von intimen Aufnahmen der Klägerin vollständig zu löschen. Soweit die Klägerin darüber hinausgehend die vollständige Löschung sie zeigender Aufnahmen beansprucht hat, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat gegen die teilweise Verurteilung zur Löschung Berufung eingelegt, die Klägerin ihrerseits gegen die Ablehnung einer vollständigen Löschung.... Die Einwilligung könne aber auch widerrufen werden, da das den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffende Interesse der Klägerin an der Löschung der Aufnahmen höher zu bewerten sei als das Eigentumsrecht des Beklagten an der Existenz der Aufnahmen. Da es sich um Bild- und Filmaufnahmen für den privaten Bereich gehandelt habe, werde auch das berufliche Tätigkeitsfeld des Beklagten nicht beeinträchtigt.

Die vollständige Löschung kann aber nicht beansprucht werden. Anders als bei intimen Aufnahmen seien Bilder, welche die Klägerin im bekleideten Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigten, in einem geringeren Maße geeignet, ihr Ansehen gegenüber Dritten zu beeinträchtigen. Es sei allgemein üblich, dass Personen, denen die Fertigung von Aufnahmen bei Feiern, Festen und im Urlaub gestattet werde, diese auf Dauer besitzen und nutzen dürfen. Das Urteil ist im Mai 2014 noch nicht rechtskräftig.

Das eigentliche Dilemma dieser Fälle ist auch von der Rechtsprechung nicht ganz zu lösen. Durch die simple Möglichkeit der Vervielfältigung ist es praktisch unmöglich, die Löschung solcher Aufnahmen zu kontrollieren. Das Interesse an solchen Veröffentlichungen wird aber enorm reduziert, wenn empfindliche Schmerzensgeldzahlungen zu erwarten sind.

Wenn Sie Probleme dieser Art haben, können wir Ihnen helfen.

Rechtsanwalt Dr. Palm


2014/04/25

Änderung des Familiennamens eines Kindes



Änderung des Familiennamens eines Kindes  

Es gibt eine ganze Reihe von Varianten der Namensänderung für ein Kind, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Das deutsche Namensrecht kennt keine starre Namensführungspflicht, sodass es einem etwas im Alltag aber selbst im Rechtsverkehr unbenommen ist, etwa nur einen ersten Vornamen als Rufnamen zu verwenden.  

Regelmäßig setzen diese Änderungen eine Erklärung voraus, die öffentlich zu beglaubigen bzw. zu beurkunden ist. Zuständig ist das Standesamt, das das Geburtsregister führt.  

Zentral sind die folgenden Tatbestände:
 
§ 1617 c BGB
Bestimmen die Eltern einen Ehenamen, nachdem das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, so erstreckt sich der Ehename auf den Geburtsnamen des Kindes nur dann, wenn es sich der Namensgebung anschließt. Ein in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann die Erklärung nur selbst abgeben; es bedarf hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Die Erklärung ist gegenüber dem Standesamt abzugeben; sie muss öffentlich beglaubigt werden. Das gilt entsprechend,  
1. wenn sich der Ehename, der Geburtsname eines Kindes geworden ist, ändert
oder
2. wenn sich in den Fällen der §§ 1617, 1617a und 1617b der Familienname eines Elternteils, der Geburtsname eines Kindes geworden ist, auf andere Weise als durch Eheschließung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft ändert.
Eine Änderung des Geburtsnamens erstreckt sich auf den Ehenamen oder den Lebenspartnerschaftsnamen des Kindes nur dann, wenn sich auch der Ehegatte oder der Lebenspartner der Namensänderung anschließt; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
   
§ 1617 b Abs. 1 BGB

Das Namensrecht steht im Zusammenhang mit der Ausübung der Personensorge für ein Kind. Wird eine gemeinsame Sorge der Eltern erst begründet, wenn das Kind bereits einen Namen führt, so kann der Name des Kindes binnen drei Monaten nach der Begründung der gemeinsamen Sorge neu bestimmt werden.    

§ 1617 a Abs. 2 BGB  

Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so erhält das Kind den Namen, den dieser Elternteil im Zeitpunkt der Geburt des Kindes führt.  

Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein zusteht, kann dem Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Namen des anderen Elternteils erteilen. Die Erteilung des Namens bedarf der Einwilligung des anderen Elternteils und, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Die Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden.  
 
§ 1618 BGB - Einbenennung  

1. Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, können dem Kind, das sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Ehenamen erteilen. Sie können diesen Namen auch dem von dem Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen voranstellen oder anfügen; ein bereits zuvor nach Halbsatz 1 vorangestellter oder angefügter Ehename entfällt. Die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens bedarf der Einwilligung des anderen Elternteils, wenn ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit dem den Namen erteilenden Elternteil zusteht oder das Kind seinen Namen führt, und, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Bei Kindern im Kleinkindalter, für die der Familienname kaum eine Bedeutung hat, ist nach dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen eine additive Einbenennung im Sinne des § 1618 S. 2 BGB in der Regel noch nicht zum Wohle des Kindes erforderlich.  
Das Familiengericht (Rechtszug AG - OLG) kann die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Grundsätzlich hat das Gericht in dem Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung den sorgeberechtigten und den nicht sorgeberechtigten Elternteil persönlich anzuhören und den Sachverhalt ggf. durch Anhörung weiterer Auskunftspersonen aufzuklären.  Hier ist im Einzelnen in der Rechtsprechung und Literatur streitig, wie dieser Fall zu behandeln ist. Der Bundesgerichtshof meint, die Einwilligung des anderen Elternteils in die Einbenennung könne nur dann ersetzt werden, wenn konkrete Umstände vorlägen, die das Kindeswohl gefährdeten. Danach wäre  die Einbenennung vorzunehmen, wenn sie unerlässlich wäre, um Schäden von dem Kind abzuwenden.

Anders und mit guten Gründen sieht das das Brandenburgische Oberlandesgericht im Jahre 2013: Die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung wird nicht von einer Kindeswohlgefährdung abhängen müssen. Es wird ausreichen, mit der Einbenennung eine mehr als nur dem Kindeswohl dienliche, an diesem Maßstab wünschenswerte Wirkung auszulösen. Es wird nicht ausreichen, bloße Lästigkeiten zu beseitigen, oder auf eine Lage zu reagieren, in der sich Kinder geschiedener und neu verheirateter Eltern typischerweise befinden. Vielmehr wird eine außerordentliche Belastung des Kindes durch die derzeitige Namensführung verlangt werden müssen, die nur durch die Einbenennung mit zu erwartendem deutlichen Gewinn für das Kind erleichtert werden kann.  

Auch wenn der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Erforderlichkeit" in § 1618 Satz 4 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass die Eingriffsschwelle für eine Namensänderung hoch angesetzt ist, ist es nicht notwendig, dass die Einbenennung unerlässlich ist, um konkret drohende Schäden von dem Kind abzuwenden (So entgegen BGH 2002 auch das OLG Koblenz im Oktober 2012). Das gelte insbesondere dann, wenn ein Interesse des Kindesvaters an der Fortführung seines Familiennamens nach seiner ausdrücklichen Erklärung nicht vorliegt und ein Interesse am Fortbestand des namensrechtlichen Bandes zwischen ihm und seinem Kind nicht besteht. Danach stellt das OLG Koblenz den Grundsatz auf: Es dient grundsätzlich dem Wohl des Kindes den gleichen Nachnamen zu tragen, den alle übrigen Familienmitglieder der Familie, in der das Kind lebt, tragen.  

Erforderlichkeit liegt aber nicht allein deshalb vor, weil seit längerem kein Kontakt zwischen dem Kind und dem namensgebenden Elternteil mehr besteht.  

Im Übrigen ist die Konstellation nur einer neuen Familie gegeben. Die Einbenennung eines Kindes entsprechend § 1618 BGB in einem Fall, in dem ein Elternteil und dessen Ehegatte voneinander getrennt leben und der getrennt lebende Ehegatte der Einbenennung zugestimmt hat scheidet nach der Rechtsprechung aus. Lebt die Mutter des Kindes von dem Ehemann getrennt, würde nämlich der Zweck der Regelung in § 1618 BGB, nämlich die namensmäßigen Integration des Kindes in seine neue soziale Familie, nicht erreicht.  

2. Umstritten ist auch, ob mehr als zweigliedrige Namen danach möglich werden. Hier spricht viel dafür den Rechtsgedanken des § 1355 Abs. 4 BGB heranzuziehen, solche Namensketten nicht zuzulassen. Im Übrigen wird zwischen exklusiven und additiven Einbenennungen unterschieden. Im ersten Fall tritt der Ehename an die Stelle des Geburtsnamens, im zweiten Fall wird der neue Familienname hinzugefügt. Einen milderen Eingriff in das Elternrecht stellt die additive Einbenennung durch Voranstellung oder Anfügung des Ehenamens des sorgeberechtigten Elternteils dar.  

Öffentlich-Rechtliche Namensänderung  

Die Namensänderung nach § 3 NÄG ist kein Auffangtatbestand, wenn die vorbezeichneten Änderungsmöglichkeiten nicht bestehen.  

1. In den sog. Scheidungshalbwaisenfällen kann das Problem aber auftreten, dass nur eine öffentlich-rechtliche Namensänderung in Betracht kommt. Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, das den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhalten hat, geschieden worden und hat der nicht erneut verheiratete allein sorgeberechtigte Elternteil wieder seinen Geburtsnamen angenommen, so ist auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 die Änderung des Geburtsnamens des Kindes ("Scheidungshalbwaise") auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage möglich. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 NÄG, der die Änderung des Geburtsnamens des Kindes in den Namen des sorgeberechtigten Elternteils rechtfertigt, liegt bei fehlender Einwilligung des anderen Elternteils nicht schon dann vor, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes förderlich ist.  Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist in Anlehnung an die gesetzgeberische Wertung des § 1618 Satz 4 BGB ein wichtiger Grund in den Fällen der öffentlich-rechtlichen Änderung des Familiennamens von Kindern aus geschiedenen Ehen gegeben, wenn die Namensänderung für das Kindeswohl erforderlich ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 2013). Erforderlichkeit liegt nach dem OVG Münster vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Ausgehend davon, dass Eltern- und Kindesinteressen grundsätzlich gleichrangig sind, ist dabei regelmäßig zu verlangen, dass aufgrund der Namensverschiedenheit schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten sind oder die Namensänderung dem Kind zumindest so erhebliche Vorteile bringt, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem bislang namensgebenden Elternteil nicht zumutbar erscheint.  

Eine Namensänderung ist also nach dem Bundesverwaltungsgericht nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten. In gewissem Umfang müssen sie mit den mit einer Scheidung ihrer Eltern verbundenen Problemen - so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit - zu leben lernen. Eine Namensänderung kann beispielsweise dann aber erforderlich sein, wenn nie eine wirkliche Vater-Sohn-Bindung bestanden hat.  

2. In Betracht kommt die Konstellation auch im Fall des Scheiterns einer Einbenennung. Voraussetzung ist, dass die Beibehaltung der Einbenennung seelische Belastungen auslöst oder verstärkt, wenn die Familienneugründung scheitert. Weil dem Kind, anders als der Mutter, die Rückbenennung versagt ist, kann hier nur der Weg über die öffentlich-rechtliche Namensänderung gewählt werden. 

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

2014/03/22

Ausländischer Name Änderung Übersetzung Schreibweise

Wir befassen uns regelmäßig mit der Änderung von Namen. Das muss keine Änderung im öffentlich-rechtlichen Sinne des Namensänderungsgesetzes sein, sondern kann auch auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften erfolgen. Oft sich ausländische Namen für den Träger ein Problem. Der Name wird falsch geschrieben oder/und ausgesprochen. Schlimmstenfalls fühlt man sich durch den Namen diskriminiert. Was kann man in solchen Fällen tun?

Zunächst ein Beispiel: Wenn keine deutschsprachige Form des türkischen Vornamens "Funda" existiert, kann nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 5 2. Alternative EGBGB ein neuer Vorname angenommen werden. So war der gewählte Vorname "Elena" unbedenklich. Aber was ist mit Nachnamen? 

Nur § 94 Abs. 1 Nr. 5 BVFG gestattet das Führen eines ausländischen Familiennamens in der deutschen Übersetzung. Wenn jemand also nicht Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes ist, kommt lediglich Art. 47 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB in Betracht. Dieser gestattet zwar die Annahme einer „deutschsprachigen Form“. Dadurch wird jedoch nicht die Möglichkeit eröffnet, den Familiennamen in der deutschen Übersetzung zu führen. 
Bei der Schaffung von Art. 47 EGBGB im Rahmen der Neuregelung des Personenstandsrechts hat sich der Gesetzgeber zwar an § 94 BVFG orientiert, dessen Regelungsinhalt jedoch nicht vollständig in die Fassung des Art. 47 EGBGB übernommen, sondern dort bewusst nur die Möglichkeit der Annahme einer deutschsprachigen Form des Namens vorgesehen. „Eingedeutscht“ wird ein Name üblicherweise dadurch, dass auf Laute und auf diakritische Zeichen, die dem Deutschen unbekannt sind, verzichtet wird. Zu den diakritischen Zeichen gehören außer Akzenten und Häkchen auch Punkte über oder unter einem Buchstaben. Sie dienen in der Ausgangssprache der Aussprachebezeichnung.

Für Familiennamen gelten strengere Maßstäbe als für Vornamen. Nach Art. 47 I 1 Nr. 5, 2. Hs. EGBGB kann nur ein Vorname in einen völlig neuen Namen geändert werden. Bei Familiennamen ist eine Änderung dagegen gemäß Art. 47 I 1 Nr. 5, 1. Hs. EGBGB nur dann möglich, wenn der ausländische Name in eine deutsche Form übertragen wird –im Kern aber bestehen bleibt. Der gleiche Name erhält dann, wie es ein Gericht formulierte, "nur ein anderes Gewand". Diese eingeschränktere Praxis bei Familiennamen ergibt sich daraus, dass der Familienname in weit größerem Maße der Identifikation einer Person dient als der Vorname. Kontinuität ist bei Familiennamen das "oberste Gebot". Hat der Familienname ausländische Wurzeln, so ist er nach der Rechtsprechung, selbst wenn sich das Namensstatut durch Einbürgerung ändert, grundsätzlich in der dem ursprünglichen Statut entsprechenden Form zu führen, einschließlich der darin ggfs. enthaltenen diakritischen Zeichen. D.h. der Name verändert sich grundsätzlich nicht. Durch eine "Eindeutschungserklärung" nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB kann aber der Eingebürgerte, der nun ein anderes Personalstatut erworben hat, seine Namensführung an die inländischen Verhältnisse anpassen. Die Möglichkeit zur Änderung der Namensführung durch Erklärung soll nach dem Gesetzeszweck die Integration des deutschen Neubürgers erleichtern. Dabei ist der in Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB gewählte Begriff „deutschsprachige Form des Familiennamens“ noch nicht aus sich heraus verständlich. Denn insbesondere stellt sich die Frage, ob hierunter auch die deutsche Übersetzung eines ausländischen Namens zu verstehen ist. „Eingedeutscht“ wird ein Name jedoch nach der Rechtsdogmatik dadurch, dass auf Laute und auf diakritische Zeichen, die dem Deutschen unbekannt sind, verzichtet wird. Zu den diakritischen Zeichen gehören außer Akzenten und Häkchen auch Punkte über oder unter einem Buchstaben. Was aber nicht geht: Eine phonetische Anpassung des Namens an den deutschen Sprachgebrauch wird im Rahmen des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB genausowenig zu denken sein wie an eine Verkürzung eines langen und schwer auszusprechenden Namens oder an die Weglassung dem deutschen Recht unbekannter Namenszusätze.

Also muss man die Auswechselung eines Familiennamens von der bloßen Überführung des Namens in eine deutsche Form unterscheiden. Ein Beispiel aus der Gerichtspraxis: Beispielhaft wäre der Name "Piotr Meierow", der gemäß Art. 47 I 1 Nr. 5 EGBGB in "Peter Meier" geändert werde könnte Ähnlich wären  Änderungen von "Szewczyk" in "Scheftschik" oder "George Bush" in "Georg Busch". So das LG München I in einer Entscheidung aus dem Jahre 2008.  

Kann man die Erklärung mehrfach abgeben?

Nein. Eine zweite Angleichungserklärung nach Art. 47 EGBGB kann nicht mehr wirksam erfolgen, wenn die erste Angleichung wirksam ist. Dies folgt allerdings nicht nach dem OLG Hamm aus einer irgendwie gearteten Bindungswirkung der ersten Erklärung, die mangels gesetzlicher Grundlage durchaus fragwürdig wäre. Vielmehr ist dann, wenn die Namensangleichung  wirksam war, der Tatbestand des Art. 47 EGBGB nicht erfüllt, da die Antragsteller dann keine Namen mehr führen, die sie nach ausländischem Recht erworben haben.    
      
Aus Art. 47 EGBGB folgt übrigens kein Recht, die Schreibweise eines ausländischen Namens (etwa: Aleksej) in eine in Deutschland für "gebräuchlicher" erachtete Schreibweise (etwa: Alexej) zu ändern.

Im Einzelfall kann es sehr komplexe Probleme geben. Wir können Ihnen im Zweifel weiterhelfen. 

Rechtsanwalt Dr. Palm

Einbenennung Namensänderung Rechtsanwalt Einwilligung

Grundregel des § 1618 BGB: Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, können dem Kind, das sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Ehenamen erteilen. Sie können diesen Namen auch dem von dem Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen voranstellen oder anfügen; ein bereits zuvor nach Halbsatz 1 vorangestellter oder angefügter Ehename entfällt.

Die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens bedarf der Einwilligung des anderen Elternteils, wenn ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit dem den Namen erteilenden Elternteil zusteht oder das Kind seinen Namen führt, und, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Mangelt es an einer tragfähigen Beziehung zwischen einem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, weil dieser ein vollständiges Desinteresse an dem Kind gezeigt hat, ist die Position des Elternteils in namensrechtlicher Hinsicht weniger oder nicht (mehr) schutzwürdig. Ein der additiven Einbenennung entgegenstehendes Interesse des Elternteils, auch und gerade unter Wahrung seines ihm in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbrieften Elternrechts, ist daher nicht ersichtlich. Ebenso wenig vermag die Ansicht des Elternteils, dass dem Kind als dem Träger seiner Gene sein Name nicht streitig gemacht werden dürfe, ein echtes Interesse bezogen auf das Kind und damit an einer Namenskontinuität zu begründen bzw. ein der additiven Einbenennung belastbar entgegen stehendes Interesse zu rechtfertigen (So Saarländisches Oberlandesgericht 2013).
Wie ändert man eine Einbenennung?

Der allgemeine, vielleicht auch nachvollziehbare Wunsch, eine sich aus einer Einbenennung ergebende Namensführung rückgängig zu machen, um so seine Identität zu finden und zu festigen, reicht noch nicht aus, eine sich spezifisch aus der Namensführung ergebende, die Namensänderung als wichtiger Grund rechtfertigende seelische Belastung zu begründen.
Nach einer Einbenennung des Kindes nach § 1618 BGB und einem nachfolgenden Namenswechsel des sorgeberechtigten Elternteils aufgrund § 1355 Abs. 5 S. 2 BGB kommteine erneute Namensänderung des Kindes durch Anschluss an den Namenswechsel des Elternteils nicht in Betracht.

Wir befassen uns mit sämtlichen Fragen der Namensänderung und verfügen über sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet.

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

Eheschließung im Ausland, inbesondere in den USA - Aufenthalt von verheirateten US-Amerikanern in Deutschland

Eheschließung im Ausland, inbesondere in den USA - Aufenthalt von verheirateten US-Amerikanern in Deutschland

Eheschließungen von Deutschen und Ausländern in Deutschland setzen insbesondere ein Ehefähigkeitszeugnis bzw. die Befreiung davon voraus. Das kann ein aufwändiger Prozess sein, sodass insofern sich eine Eheschließung im Ausland als verfahrenstechnisch erheblich praktischer darstellen könnte.

Eheschließungen in den USA setzen eine Heiratserlaubnis (Marriage License) voraus. Sowohl der Inländer als auch der Resident müssen  ihre "Social Security Number" angeben.

Ausländer ohne Sozialversicherung müssen sich wenigstens durch Reisepass, Personalausweis etc. auszweisen. Allerdings sollte man eine Geburtsurkunde ggf. vorlegen können. Im Falle von Scheidungen ist der Zeitpunt der Beendigung der Ehe anzugeben. Die Angaben sind an Eides Statt zu versichern.

Eine Eheschließung im Ausland wird in Deutschland grundsätzlich anerkannt, wenn im bei der Eheschließung die materiell-rechtlichen Eheschließungsvoraussetzungen (z.B. Ledigkeit, Mindestalter) für beide Partner nach dem jeweiligen Heimatrecht vorlagen und wenn das Recht am Ort der Eheschließung oder das Heimatrecht beider Ehegatten hinsichtlich der Form der Eheschließung auch gewahrt wurde. Deutschland erkennt also jede Eheschließung im Ausland an, die nach der jeweiligen Ortsnorm geschlossen wurde, was allerdings im Einzelfall dazu führen kann, dass die Prüfungsgenauigkeit bei Standesämtern oder anderen Behörden unterschiedlich weit reicht.

Für die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe in Deutschland gibt es kein spezifisches Verfahren sowie dafür allein zuständige Behörden. Deutsche sind aber nicht verpflichtet, einen solchen Antrag auf Beurkundung im Eheregister (§ 34 PStG) zu stellen.

Die Frage der Wirksamkeit der im Ausland erfolgten Eheschließung für den deutschen Rechtsbereich ist allerdings eine Vorfrage im Kontext vieler Amtshandlungen. Diese Voraussetzung - etwa bei Steuerklassen -  muss von der jeweils zuständigen Behörde gesondert entschieden werden. 

Nach der Rückkehr nach Deutschland kann man beim Standesamt des Wohnortes einen Antrag auf Anlegung eines Eheregisters stellen und in diesem Zusammenhang auch die Namensführung in der Ehe festlegen. Liegt eine rechtswirksam geschlossene Ehe vor, bekommt man eine deutsche Eheurkunde und kann die diversen Behördenvorgänge bei Meldestelle, Steuer, Versicherungen, Arbeitgeber usf. erheblich leichter erledigen, ohne jeweils die ausländische Urkunde vorlegen (und ggf. auf ihre Wirksamkeit hin erklären) zu müssen.

Was prüft das Standesamt in dem Verfahren? Die Trauung muss in der für das jeweilige Land üblichen und vorgeschriebenen Form von den zuständigen Stellen erfolgt sein. Die ausländische Heiratsurkunde muss also von der jeweils zuständigen Stelle (Standesamt, Zivilstandesbeamter, Registeroffice, Familienministerium) ausgestellt, unterschrieben sowie gesiegelt sein. Bei einer Eheschließung in den USA ist außer der Heiratsurkunde nebst  Apostille auch die "marriage licence" dem deutschen Standesamt zu präsentieren. Es ist dabei aber nicht ersichtlich, dass die Behörde die Voraussetzungen der Heiratsbewilligung durch den Rückgriff auf weitere Urkunden zu prüfen hat.  

Deutsche Staatsangehörige, die über keinen Wohnsitz im Inland verfügen, können den Antrag auf Beurkundung im Eheregister entweder direkt beim zuständigen Standesamt (Standesamt I in Berlin) oder über die für Ihren Wohnort im Ausland zuständige deutsche Auslandsvertretung stellen.

Rechtsanwalt Dr. Palm (Haben Sie weitere Fragen. Kontaktieren Sie uns unter drpalm@web.de) 

2014/03/11

Beamter Mobbing Verwirkung Verjährung

Auch Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche wegen (behaupteten) "Mobbings", welche noch nicht verjährt sind, unterliegen dem Rechtsinstitut der Verwirkung Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 2013). Die Verwirkung von Rechten ist eine besondere Ausprägung des im öffentlichen Recht einschließlich des Beamtenrechts entsprechend anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Recht verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt hat (Zeitmoment), der Schuldner darauf vertraut hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und diesem die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben auch nicht mehr zuzumuten ist (Umstandsmoment). Demnach ist auf der Seite des Berechtigten zusätzlich zu dem bloßen Zeitablauf ein Verhalten erforderlich, das geeignet ist, bei dem anderen Teil die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden. Bei dem anderen Teil ist darüber hinaus eine Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen gefordert, etwa weil dieser sich auf die vom Berechtigten erweckte Erwartung, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden, einrichten durfte und eingerichtet hat. (BVerwG  2008 und andere). Der anspruchstellende Beamte muss also während eines längeren, hinsichtlich der konkreten Bemessung von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Rechtswahrung unternommen zu werden pflegt, so dass beim Dienstherrn der Anschein erweckt worden ist, er werde bezüglich des Anspruchs nichts mehr unternehmen.

In einem konkreten Fall hatte der Beamte nach seiner Zurruhesetzung mit der Geltendmachung eines auf Ausgleich eines immateriellen Schadens gerichteten Schadensersatzanspruchs aus Persönlichkeitsrechtsverletzung und damit zugleich wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ca. 16 1/2 Monate gewartet. Das LAG Nürnberg  2013  hat noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen. Im Hinblick auf die für Anspruchsteller in der Regel nur schwer zu erfüllende Darlegungs- und Beweislast werden häufig Dokumentationen über Äußerungen und Verhaltensweisen der die Mobbinghandlungen begehenden Person erstellt. Muss der potentielle Anspruchsgegner aber nicht mehr damit rechnen, mit Schmerzensgeldansprüchen konfrontiert zu werden, so wird das Erinnerungsvermögen an einzelne Äußerungen und Verhaltensweisen in der Regel verblassen; eine Notwendigkeit, durch Dokumentationen sich dieses Erinnerungsvermögen zu wahren, wird dann regelmäßig nicht mehr gesehen.

Der Gesichtspunkt, das Dokumentationserfordernis zur Abwehr etwaiger Entschädigungsforderungen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG zeitlich auf zwei Monate zu begrenzen, um der Unzumutbarkeit von Dokumentationserfordernissen entgegenzuwirken  hat der Gesetzgeber durch Aufnahme einer zweimonatigen Geltendmachungsfrist in § 15 Abs. 4 AGG Rechnung getragen. Auch wenn es sich vorliegend nicht um eine Entschädigungszahlung wegen einer unerwünschten Verhaltensweise als Benachteiligung im Sinne des AGG handelt, ist gleichwohl der Gesichtspunkt zu berücksichtigen, dass ein Vorgesetzter in einem Unternehmen in Situationen geraten kann, die es erforderlich machen, sich gegen etwaige Mobbingvorwürfe wirksam - d.h., durch Dokumentation von Gesprächen und Verhaltensweisen - zur Wehr setzen zu können.

Auch könnten sich Wertungswidersprüche ergeben, wenn Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche wegen Mobbinghandlungen, die im Hinblick auf Benachteiligungsmerkmale im Sinn des § 1 AGG entstehen, innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen, solche, bei denen ein Bezug zu den Merkmalen des § 1 AGG vom Anspruchsteller nicht hergestellt wird, ausschließlich die gesetzliche Verjährungsfrist maßgebend wäre. Um Wertungswidersprüche anderer Art zu vermeiden, bejaht das Bundesarbeitsgericht die Anwendbarkeit der Frist des § 15 Abs. 4 AGG auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die auf einen Sachverhalt im Sinne des § 15 Abs. 1, 2 gestützt werden (BAG 2012). Auch wenn der entscheidende Gesichtspunkt hierfür vom Bundesarbeitsgericht in der speziellen Beweislastverteilung des § 22 AGG gesehen wird, so muss in Fällen wie dem vorliegenden berücksichtigt werden, dass eine beweisbelastete Partei für den Inhalt eines Gesprächs oder für ein bestimmtes Geschehen, welches allein zwischen den Parteien stattgefunden hat, Beweis dadurch antreten kann, indem sie ihre eigene Anhörung oder Vernehmung beantragt (BAG  2007). Vor diesem Hintergrund könnte sich ein Anspruchsteller durch ein längeres Zuwarten mit der Geltendmachung von Ansprüchen durch Erstellung entsprechender Dokumentationen in Verbindung mit der Möglichkeit, den Beweis durch die eigene Aussage zu erbringen, Vorteile verschaffen. Unter den genannten Umständen war das Zuwarten des Klägers von zwei Jahren bis zur Geltendmachung der verfahrensgegenständlichen Ansprüche nach Auffassung des Gerichts als treuwidrig anzusehen. Insofern ist also nicht nur die Frage der Verjährung zu beachten, was es als besonders ratsam erscheinen lässt, Mobbing-Ansprüche nicht auf die lange Bank zu verschieben. 

Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm



Familiennachzug Ausländer Härte Krankheit Krankenversicherung


Außergewöhnliche Härte

Die familiäre Verbundenheit zwischen Eltern und erwachsenen Kindern ist regelmäßig nicht so beschaffen, dass von Verfassungs wegen die Ermöglichung des Familiennachzugs geboten wäre. Etwas anderes gilt daher nur, wenn die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft erfüllt, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen angewiesen ist und sich diese Hilfe ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt.

Nach § 36 Abs. 2 AufenthG kann einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Das mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „außergewöhnlichen Härte“ erfasste Tatbestandsmerkmal bezeichnet im Vergleich mit dem im Aufenthaltsgesetz an anderer Stelle verwendeten Begriff der „besonderen Härte“ noch gesteigerte Anforderungen. Danach müssen die Besonderheiten des Einzelfalles nach Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Folgen der Visumsversagung unter Berücksichtigung des Zwecks der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, sowie des Schutzgebots aus Artikels 6 des Grundgesetzes schlechthin unvertretbar wären.  


Man sollte also klar sehen, dass es sich in der Rechtsprechungspraxis um die Anwendung einer Ausnahmevorschrift mit entsprechend hohen Zugangshürden handelt. Sind die Personen, zu denen der Familiennachzug stattfinden soll, deutsche Staatsangehörige, ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden, vgl.  28 Abs. 4 AufenthG. Die Frage, ob das Aufenthaltsrecht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, unterliegt als Tatbestandsvoraussetzung der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs der außergewöhnlichen Härte ist Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, wobei die Reichweite der Schutzwirkungen dieses Grundrechts durch das Gewicht der familiären Bindungen im jeweiligen Einzelfall beeinflusst wird. Danach gebietet die familiäre Verbundenheit zwischen Eltern und erwachsenen Kindern regelmäßig nicht die Ermöglichung des Familiennachzugs. Vielmehr setzt die Annahme einer außergewöhnlichen Härte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängervorschrift des § 22 AuslG grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder im Ausland lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und dass diese Hilfe zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssen nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als schlechthin unvertretbar anzusehen ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Ausland lebende Familienangehörige generell nicht in der Lage ist, ein eigenständiges Leben zu führen, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet durch einen dortigen Angehörigen erbracht werden kann. Ein solches Bedürfnis kann etwa bei schwerwiegender Erkrankung oder Behinderung und/oder bei fortgeschrittenem Alter mit Pflegebedürftigkeit vorliegen und sich auch auf eine unabdingbare psychische Unterstützung beziehen.

Die Familie muss im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft erfüllen, dergestalt, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist und sich diese Hilfe nur in Deutschland erbringen lässt. Eine Beistandsgemeinschaft entstehe vielmehr, sobald ein Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen sei und ein anderes Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringe. Unschädlich sei, wenn die Lebenshilfe wegen Berufstätigkeit nur in der Freizeit geleistet werde, solange es sich um die wesentliche Hilfe für den Familienangehörigen handle. Es sind daher die Auswirkungen der Erkrankung der Antragstellerin, die konkret erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen sowie die Folgen bei deren Unterlassung vorliegend zu klären, um beurteilen zu können, ob der Antragstellerin tatsächlich aufgrund ihres Gesundheitszustands kein eigenständiges Leben allein in dem jeweiligen Ausland möglich wäre. Bei unterstellter Pflegebedürftigkeit des Ausländers wird genau geprüft, ob die entsprechende Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann.

Fall: Der im Ausland lebende Ehemann und die noch verbliebene Schwester einer Antragstellerin schieden z.B. alters- und krankheitsbedingt als Pflegepersonen aus, so dass es keiner Erörterung bedarf, ob etwa der getrennt lebende Ehemann rechtlich verpflichtet wäre, die Antragstellerin zu pflegen. Die Annahme einer außergewöhnlichen Härte setzt allerdings nach der Rechtsprechung voraus, dass die tatsächlich geleistete Lebenshilfe nur in Deutschland erbracht werden kann, weil dem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist. Dies wurde in dem  Fall des VG München aus dem Jahre 2006 bejaht:  Beide Töchter der Antragstellerin sind deutsche Staatsangehörige, so dass von ihnen nicht verlangt werden kann, zum Zwecke der Pflege der Antragstellerin ihren Wohnsitz für längere Zeit ins Ausland zu verlegen, zumal nach den ärztlichen Befunden davon auszugehen ist, dass eine Minderung oder ein Wegfall der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter nicht eintreten wird und es sich daher um einen unabsehbaren Zeitraum handeln würde. Denn auch dann, wenn die Antragstellerin unter Verstoß gegen die Visumsvorschriften eingereist sein sollte, führt dies nicht zwangsläufig zur Ablehnung ihres streitgegenständlichen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von der Einhaltung der Visumsvorschriften abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Wichtig aber nach dem VG München: Insbesondere ist der Lebensunterhalt der Antragstellerin gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1). Sie kann ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Sie verfügt zwar selbst über kein Einkommen, jedoch werden beim Familiennachzug die Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Aktuell BVerwG und VG Berlin 2013: Die Angewiesenheit auf familiäre Hilfe ist nicht in jedem Fall erforderlicher Betreuung gegeben, sondern kann nur dann in Betracht kommen, wenn sonstige, auch außerfamiliäre Hilfen den persönlichen Bedürfnissen des Betroffenen nicht gerecht werden. Dies ist nach dem VG Berlin nur dann der Fall, wenn der alters- oder krankheitsbedingte Autonomieverlust einer Person so weit fortgeschritten ist, dass ihr Wunsch, sich in die Hände engster Familienangehöriger, zu denen typischerweise eine besondere Vertrauensbeziehung besteht, begeben zu wollen, auch nach objektiven Maßstäben nachvollziehbar erscheint (VG Berlin 2013). Auch hier wird deutlich, dass die Härte im Sinne der Vorschrift ein detailliert begründungsbedürftiges Begehren ist, insbesondere da an das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG höhere Anforderungen zu stellen sind als an das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne von § 30 Abs. 2, § 31 Abs. 2 und § 32 Abs. 4 AufenthG (BVerwG 2013).

Studenten Einbürgerung Rechtmäßiger Gewöhnlicher Aufenthalt


Können ( ehemalige) Studenten eingebürgert werden? 
Die Frage ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Bei einer Anspruchseinbürgerung gemäß § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz wird ein rechtmäßiger und gewöhnlicher Aufenthalt von acht Jahren in der Bundesrepublik Deutschland vorausgesetzt. Zunächst ist völlig klar, dass die bisher erteilte Aufenthaltsbewilligung, die jetzt als Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erteilt wird,  einen rechtmäßigen Aufenthalt begründet. 
Das ist die erste Hürde: Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt unter Anknüpfung an die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I vor, wenn sich der Ausländer hier unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vorübergehend verweilt, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass die Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nach der Rechtsprechung sind hier vor allem die Vorstellungen und Möglichkeiten des Ausländers von Bedeutung. Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts erfordert keine förmliche Zustimmung der Ausländerbehörde. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat. Ein zeitlich befristeter Aufenthaltstitel schließt also die Begründung und Beibehaltung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht aus. Selbst wiederholt erteilte Duldungen, die als zeitweise bzw. vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers kein Recht zum Aufenthalt verleihen, hindern die Begründung und Beibehaltung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht (So aktuell Sächsisches Oberverwaltungsgericht  2013).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer früheren Entscheidung im Hinblick auf Dauerhaftigkeit eines (Auslands-) Aufenthalts festgestellt, dass neben dessen Dauer und seinem Zweck alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien, während es auf den inneren Willen des Ausländers, insbesondere auf seine Planung der späteren Rückkehr (nach Deutschland), nicht allein ankommen könne. Als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für (Auslands-)Aufenthalte könnten danach etwa Urlaubsreisen oder beruflich veranlasste Aufenthalte von ähnlicher Dauer anzusehen sein, ebenso Aufenthalte zur vorübergehenden Pflege von Angehörigen, zur Ableistung der Wehrpflicht oder Aufenthalte während der Schul- oder Berufsausbildung, die nur zeitlich begrenzte Ausbildungsabschnitte, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagerten. Eine feste Zeitspanne, bei deren Überschreitung stets von einem nicht mehr vorübergehenden Grund auszugehen wäre, lasse sich nicht abstrakt benennen. Je weiter sich die Aufenthaltsdauer (im Ausland) über die Zeiten hinaus ausdehne, die mit den genannten begrenzten Aufenthaltszwecken typischerweise verbunden seien, desto eher liege die Annahme eines nicht nur vorübergehenden Grundes nahe.  

Hier gilt, dass man aber sehr genau auf die jeweilige Rechtspraxis des Landes bzw. der Kommune achten sollte.  

Das ist die zweite Hürde nach § 10 StAG: Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 des Aufenthaltsgesetzes oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern. Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 übersteigen, kann sie auf sechs Jahre verkürzt werden.

2014/03/02

Ehevertrag Wesentliche Punkte Unterhalt Güterrecht Versorgungsausgleich

Soweit der Abschluss eines Ehevertrags geplant ist, werden folgende Punkte üblicherweise geregelt:

1. Im Weg einer konkreten Rechtswahl sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass auf die Ehe und im Fall der Scheidung der Ehe ausschließlich die Regelungen des deutschen Rechts anwendbar sind. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Staatsbürgerschaft eines Ehegatten ändert oder ein ausländisches Gericht zuständig ist. Diese Feststellung ist auf den ersten Blick eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Zur unmissverständlichen Klarstellung sollte sie aber in jedem Fall aufgenommen werden.

2. Nach der Heirat leben die Eheleute grundsätzlich im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so dass während der Ehezeit erwirtschaftete Zugewinn im Fall der Scheidung hälftig geteilt. Erbschaften und Zuwendungen der eigenen Eltern werden im Rahmen des Zugewinns grundsätzlich nicht ausgeglichen, da diese wertneutral behandelt werden. Lediglich Wertsteigerungen nach Erhalt der Zuwendung oder des Erbes können Probleme aufwerfen, wenn diese oberhalb des Kaufkraftverlustes liegen.

Damit es später keinen Streit zum Bestand des Anfangsvermögens zum Zeitpunkt der Eheschließung gibt, sollte ein Verzeichnis über den Bestand und den Wert des Vermögens beider Ehegatten zu Beginn der Ehe gemacht werde. Dann wird vermutet, dass ein solches Verzeichnis richtig ist. Alle wesentlichen Vermögensgegenstände sollten aufgeführt werden.

Zum Schutz des anderen Ehepartners enthält das Gesetz die Beschränkung, dass ein Ehepartner über sein Vermögen als Ganzes nur mit dessen Zustimmung verfügen kann. Diese Verfügungsbeschränkung kann auch die Verfügung über einzelne Vermögensgegenstände wie etwa eine Immobilie betreffen, wenn dieser Gegenstand nahezu das gesamte Vermögen darstellt. Diese Verfügungsbeschränkung kann einen Ehegatten erheblich einschränken. Wenn man dies nicht möchte, kann man auf die Verfügungsbeschränkung durch Ehevertrag wirksam verzichten. Bei wirksamem Verzicht bleibt es bei der freien Verfügungsbefugnis jedes Ehegatten über sein Vermögen.

Alternativ zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft könnte in einem Ehevertrag Gütertrennung vereinbart werden. Dann findet nach Trennung und Scheidung keinerlei Vermögensausgleich zwischen den Eheleuten statt. Jeder Ehegatte behält dann sein Vermögen in voller Höhe, unabhängig davon, ob er während der Ehezeit mehr Vermögen angesammelt hat, als der andere Ehegatte.

Zu Problemen kann es dann nur kommen, wenn man Vermögen vermischt hat. Dann kann die Teilung Schwierigkeiten bereiten. Für gemeinsame Schulden gilt dasselbe.

Ist Gütertrennung vereinbart, bereiten Schenkungen und finanzielle Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten oft den Grund zu Auseinandersetzungen. Um Streitigkeiten über die Rückgabe von wechselseitigen finanziellen Zuwendungen unter den Ehegatten zu vermeiden, die während der Ehe gemacht wurden, ist es sinnvoll, im Ehevertrag neben der Gürtertrennung zu vereinbaren, dass eine Rückforderungen von solchen Zuwendungen im Fall der Trennung oder Scheidung nur dann möglich ist, wenn man sich dies bei Gewährung der Zuwendung ausdrücklich und schriftlich vorbehalten hat. Dann muss man sich zum Zeitpunkt der Zuwendung überlegen, ob man diese im Fall der Scheidung zurückbekommen möchte.

3. Bei Regelungen über den Unterhalt muss streng zwischen der Trennungszeit bis zur Scheidung und die Zeit nach der Scheidung unterschieden werden. Die Frage des Getrenntlebensunterhalts ist nur eingeschränkt regelbar, da dies gesetzlich zwingend vorgesehen ist. Man sollte hier äußerst zurückhaltend sein oder ganz auf eine Regelung verzichten.

Beim nachehelichen Unterhalt besteht ein größerer Handlungsspielraum. Ein Totalverzicht könnte indes im Einzelfall unwirksame sein, weil dieser zu Lasten von betreuungsbedürftigen Kindern gehen kann. Wenn man eine Regelung zum nachehelichen Unterhalt trifft, sollte klargestellt werden, dass durch die Vereinbarung kein eigenständiger vertraglicher Unterhaltsanspruch geschaffen werden soll, sondern nur eine Modifikation des gesetzlichen Unterhalts erfolgt. Wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Unterhalt geschuldet wird, dann soll dieser auch nicht durch die vertragliche Vereinbarung entstehen. Es sollte klar gestellt werden, dass jeden Ehegatten nach der Scheidung eine umfassende Erwerbsobliegenheit trifft und er durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, notfalls auch unterhalb des Niveaus der eigenen Berufsausbildung, den eigenen Lebensunterhalt selbst bestreiten muss. Deutlich sollte werden, dass der Unterhalt dann entfällt, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Auch auf die Abänderbarkeit des Unterhalts sollte ausdrücklich hingewiesen werden.

Die Formulierungen sollten geschlechtsneutral gehalten sein, so dass alle Regelungen wechselseitig für beide Ehegatten gelten. Auf einzelne im Gesetz vorgesehene Unterhaltstatbestände könnte wechselseitig verzichtet werden. So auf einen Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit oder Ausbildung.
Amtsgericht Neuenahr-Ahrweiler 
4. Auf Regelungen hinsichtlich des Kindesunterhalts sollte gänzlich verzichtet werden. Insoweit schützen die gesetzlichen Vorschriften die Kinder ausreichend, so dass eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung entbehrlich ist. Die Höhe des Kindesunterhalts richtet sich dann alleine nach der Höhe des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils.

5. Auch Fragen des Sorgerecht, des Aufenthalts oder des Umgangsrecht mit gemeinsamen Kindern sollte nicht im Ehevertrag geregelt werden. Diese Punkte werden im Ernstfall aufgrund der dann aktuellen Situation entschieden. Dabei steht das Wohl der Kinder stets im Vordergrund.

6. Im Zuge einer Scheidung werden die während der Ehezeit angesammelten Renten- und Versorgungsanwartschaften der Eheleute hälftig geteilt. Davon betroffen sind neben der gesetzlichen Rente, auch Betriebsrenten und private Rentenversicherungsverträge.

Auch der Versorgungsausgleich kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Wenn man gänzlich auf ihn verzichtet, kann dies zu einer erheblichen Beschleunigung eines späteren Scheidungsverfahrens führen. Durch einen Verzicht verliert der schlechter verdienende Ehepartner indes einen Ausgleichsanspruch und erhält nur die Rente, die er selbst erwirtschaftet hat. Dies kann zu einem erheblichen Ungleichgewicht bei der Rentenhöhe führen. Vor diesem Hintergrund sollte überlegt werden, ob man die gesetzliche Regelung beibehält und keine abweichende Regelung vereinbart

Eine Modifikation des Versorgungsausgleichs wäre insoweit denkbar, dass man nur bestimmte Anwartschaften ausgleicht (z.B. nur die gesetzliche Rente) und andere Anwartschaften unberücksichtigt lässt und insoweit auf einen Ausgleich verzichtet.

7. Wenn man einen Ehevertrag aufsetzen lässt, kann man auch gleich einen Erbvertrag aufsetzen, da hierdurch regelmäßig keine zusätzlichen Beurkundungskosten entstehen. Ein solcher Erbvertrag könnte inhaltlich einem gemeinschaftlichen Testament entsprechen, das üblicherweise von Ehegatten mit Kindern aufgesetzt wird.

Wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, setzen sich Ehegatten regelmäßig wechselseitig als Alleinerben ein, um die Kinder von der gesetzlichen Erbfolge beim Tod eines Elternteils auszuschließen. Um den Kindern den Anreiz zu nehmen, beim Tod des einen Elternteils, vom überlebenden Elternteil den gesetzlichen Pflichtteil zu verlangen, sollte über eine Strafklausel nachgedacht werden, wonach das Kind, das den Pflichtteil fordert auch beim Tod des zweiten Elternteils auch nur den Pflichtteil erhält. Kinder sollen dadurch angehalten werden, auf die Geltendmachung des Pflichtteils gegenüber dem länger lebenden Elternteil zu verzichten, in der Hoffnung, dass sie später einen höheren Erbteil erhalten. 

Regelmäßig hat der erstversterbende Ehegatte ferner ein Interesse daran, dass sichergestellt wird, dass das eigene Vermögen letztlich nur bei den eigenen Kindern und nicht auch bei später geborenen Halbgeschwistern oder neuen Lebenspartnern landet. Dies kann dadurch sichergestellt werden, dass der erbende Ehegatte nur als Vorerbe eingesetzt wird und die eigenen Kinder als Nacherben. Nacherbfall ist regelmäßig der Tod des überlebenden Ehegatten, so dass das dann noch vorhandene Vermögen nur an die eigenen Kinder vererbt wird. Auch für den Fall, dass der überlebende Ehegatte erneut heiratet o.ä., kann der Nacherbfall zugunsten der eigenen Kinder angeordnet werden. Sollte Klauseln sind durchaus üblich, da sie die Kinder vor Vermögensverschiebungen zu ihren Lasten schützen. 

8. Ein solcher Ehevertrag muss zwingend notariell beurkundet werden, da er andernfalls formunwirksam und damit nichtig wäre. Wir könnten einen Ehe- und Erbvertrag für Sie aufsetzen, der Ihren Vorstellungen entspricht und praxisrelevante Probleme berücksichtigt und dann an den Notar weitergeleitet wird. 

Wenn Sie Fragen haben, stehen wir zu Ihrer Verfügung. Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

2014/02/14

Bundesarbeitsgericht 2013 Fortbildungskosten Ausbildungskosten

Wichtige Entscheidung zum Thema Ausbildungskosten

Eine Klausel, die den Arbeitnehmer ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung mit einer Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten belastet, ist nicht rechtmäßig. Einen solchen Fall hat das BAG 2013 entschieden. Die Bestimmung unterschied insoweit nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammt. Die Klausel differenzierte zwar grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Beendigungstatbeständen, und zwar zwischen der vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung einerseits und der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung andererseits. Nur bei Letzterer wurde eine Einschränkung dahin vorgenommen, dass die Rückzahlungsverpflichtung nur dann eingreifen soll, wenn die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen wird. Im Falle der Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer bestand  die Rückzahlungspflicht jedoch ohne Einschränkung, also auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zum Beispiel durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers. Dadurch wird der Beklagte unangemessen benachteiligt (Dazu BAG 2011).  


Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss in diesen Fällen nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden (BAG 2006). Was ist der Sinn der Differenzierung. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. 

Hätte der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie entgegen § 307 Abs. 1 BGB nach dem BAG nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragspartner, sondern nur diejenigen des Arbeitgebers. Dadurch werde der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.

Wir befassen uns mit diesen Fragen häufig, fragen Sie uns. Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

2014/02/07

BEM - Betriebliches Eingliederungsmanagement - Kündigung - Krankheit

Was ist, wenn ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durchgeführt wird, nachdem ein Arbeitnehmer nach längerer Krankheit wieder im Betrieb zu arbeiten beginnt? Später soll dem Arbeitnehmer gekündigt werden, weil vorgeblich kein Arbeitsplatz für ihn mehr zur Verfügung steht.   

Die Durchführung des BEM ist nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung (BAG 2008). Ein fehlendes BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX führt nicht per se zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. Allein aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber das BEM nicht durchgeführt hat, folgt noch nicht das Vorliegen von geeigneten milderen Mitteln, die zwingend zur Reduzierung der Fehlzeiten und damit zur Unverhältnismäßigkeit einer Kündigung führen könnten. Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des BEM ist - wie das der gesetzlichen Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX - die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen daher letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen. Durch das BEM können aber solche milderen Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Das Gesetz hat den Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, mit Hilfe der genannten Stellen frühzeitig zu prüfen, ob und wie eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der eingetretenen Erkrankungen und damit letztlich der Ausspruch einer Kündigung vermieden werden kann. 

Hat der Arbeitgeber hingegen kein BEM durchgeführt, darf er sich durch seine dem gesetzwidrige Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen. In diesem Fall darf er sich nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer bzw. es gebe keine “freien Arbeitsplätze”, die der erkrankte Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung noch ausfüllen könne.

Es bedarf vielmehr nach der genannten BAG-Rechtsprechung eines umfassenderen konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und warum andererseits eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden könne. 

Daraus ergibt sich auch, dass der Arbeitnehmer schlecht beraten ist, wenn er sich dagegen sperrt, an einer betrieblichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Wir helfen Ihnen in diesen nicht immer ganz einfachen Konstellationen gerne weiter. 

Rechtsanwalt Dr. Palm


2014/01/19

Abmahnung - Lizenzanalogie - Porno - Schadensersatz - Filesharing

Eine wichtige Entscheidung hat das Amtsgericht Hamburg jüngst zu den Abmahnungen bei Filesharing-Downloads getroffen: Der Kläger verlangte als Hersteller eines Pornofilms die Erstattung von Abmahnkosten und lizenzanalogen Schadensersatz für das von ihm behauptete widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines Pornofilms durch den Beklagten über eine so genannte Internettauschbörse  (36a C 134/13). 

Der Beklagte nutzte einen W-Lan-Internetanschluss  zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Der Kläger begehrte mit seiner Klage Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung des Beklagten sowie so genannten lizenzanalogen Schadensersatz. Die Abmahnkosten berechnete er auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 22.500 € für den Unterlassungsanspruch. Den lizenzanalogen Schadensersatzanspruchs hielt er mit 400 € für angemessen beziffert. Er behauptete, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben. Zum behaupteten Verletzungszeitpunkt sei er mit seiner Lebensgefährtin zum Grillen bei Arbeitskollegen eingeladen gewesen. Sein W-Lan sei mit einer WPA-Verschlüsselung mit Sicherheitsschlüssel und Password betrieben worden. Der Beklagte sei als Täter der vom Kläger vorgetragenen Urheberrechtsverletzung anzusehen. Die korrekte Ermittlung der IP-Adresse und deren richtige Zuordnung zum Internetanschluss des Beklagten sind unstreitig. Der Beklagte bestritt lediglich seine Täterschaft. Nach der Rechtsprechung spricht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, wenn über eine seinem Anschluss zuzuordnende IP-Adresse ein geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht wird. Der Anschlussinhaber, der geltend macht, jemand anders habe die Rechtsverletzung begangen, trägt nach der Rechtsprechung des BGH eine sekundäre Darlegungslast. Das Gericht hielt seinen Vortrag nicht für ausreichend in diesem Sinne. Ihn sei es nicht gelungen, die Vermutung mit seinem Vortrag zu erschüttern. Der Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, wie er und seine Lebensgefährtin den Internetanschluss konkret nutzten. Es sei unklar, ob jeder ein eigenes Gerät hatte oder ob sie eines gemeinschaftlich nutzten und auch nicht, ob seine Lebensgefährtin in dem in Rede stehenden Zeitpunkt bzw. Zeitraum den Internetanschluss überhaupt konkret genutzt hat. Selbst sein Vortrag zu seiner persönlichen Abwesenheit am sei nicht ausreichend, da der Download nicht die persönliche Anwesenheit eines Menschen erfordere. Es reiche aus, dass ein mit einer Filesharingsoftware ausgestattetes Gerät mit dem Internet verbunden ist. Mit dem Zurverfügungstellen der Filmdatei in der Tauschbörse habe der Beklagte den Film auch widerrechtlich gemäß § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

Interessant sind nun aber die Überlegungen des Gerichts zur Höhe der Lizenzanalogie. Aus § 97 Abs. 2 UrhG schulde der Beklagte einen sog. lizenzanalogen Schadensersatz, den das Gericht hier gemäß § 287 ZPO mit 100 € bemisst. Dafür ist in erster Linie auf eine eigene Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers abzustellen. Die konkrete Nutzungsart - Angebot in einer Internet-Tauschbörse - lizenziere der Kläger jedoch nicht. Die vom Kläger vorgetragenen Lizenzierungsarten waren daher nach Auffassung des Gerichts nicht einschlägig. Die Nutzung fand außerhalb einer gewerblichen Tätigkeit im privaten Bereich statt. Der Beklagte erziele damit  keine Einkünfte. Es könne zudem allenfalls um die Bewertung eines einfachen Nutzungsrechtes gehen, da der Kläger von sämtlichen, jedenfalls aber sehr vielen ermittelten Tauschbörsenteilnehmern bezogen auf einen Film jeweils lizenzanalogen Schadensersatz fordert. Dann würden aber mehrere einfache Nutzungsrechte nebeneinander bestehen, was bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzentgeltes, wenn denn ein solches vereinbart worden wäre, ebenfalls entscheidend zu berücksichtigen wäre. Die gewerbliche Nutzung ist etwas völlig anderes als die private Internetnutzung und das Angebot im privaten Bereich an illegale Tauschbörsennutzer.

In diesen Fällen sei der lizenzanaloge Schadensersatz gemäß § 287 ZPO nach freier richterlicher Überzeugung zu schätzen. Danach erachtete das Gericht 100 € für den in Rede stehenden Pornofilm als lizenzanalogen Schadensersatz für angemessen, aber "auch allemal ausreichend". Denn die Anzahl der Downloads sei nicht bekannt. Zudem  könne ohne weitere Anhaltspunkte nicht von einer längeren Nutzungsdauer als maximal einen Tag ausgegangen werden.

Das nächste Argument ist bisher in der Rechtsprechung kaum zum Zuge gekommen, aber sehr wichtig: Weiter sei nämlich im Rahmen der Schätzung des sog. lizenzanalogen Schadensersatzes zu berücksichtigen, dass das Angebot in einem Filesharing-Netzwerk von vorneherein gerade nicht an eine unbegrenzte "weltweite Öffentlichkeit" gerichtet ist, sondern lediglich an die Teilnehmer eben dieses konkreten Netzwerkes, mag deren Anzahl selbst auch nicht bzw. schwer feststellbar oder begrenzbar sein, die nicht legale Angebote im Internet nutzen. Dieser Personenkreis ist von vornherein erheblich eingeschränkt. Angesichts dessen, dass die meisten Angebote in solchen Tauschbörsen illegal sind, kann nämlich nicht unterstellt werden, es handele sich dabei um eine Anzahl von Nutzern, die der Internetnutzerschaft insgesamt auch nur ansatzweise entspreche. Dies gilt umso mehr, als es sich offenbar um einen deutschsprachigen Film handelt und zudem aufgrund entsprechender Berichterstattung in allen Medien zumindest in Deutschland inzwischen weitgehend bekannt sei, dass die Nutzung von Internettauschbörsen häufig illegal ist.

Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bestehe demgegenüber für den Kläger nicht. Die Abmahnung war nicht berechtigt und konnte somit mangels Erforderlichkeit weder nach § 97a Abs. 1 S. 2 a.F. UrhG noch nach §§ 683, 670 oder im Wege eines Schadensersatzanspruchs Kostenfolgen für den Beklagten verursachen. Die isolierte Geltendmachung der Abmahnkosten sei unzulässig bzw. die Abmahnung nicht berechtigt, da für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht notwendig sei. Wichtig war für das Gericht das Verhalten eines Klägers. So war wiederholt erfolglos abgemahnt geworden,  die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung blieb aber. Dennoch hat der Kläger bis heute keine Unterlassungsklage erhoben. Einen plausiblen Grund habe er dafür nicht genannt. Was gilt, wenn der Beklagte nicht bereit ist, die verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärungen abzugeben, weil er sich nicht als Störer betrachtet?

Hier kam das Gericht zu einem originellen Schluss: Bei dieser Sachlage könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Abmahnungen dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen eines Beklagten entsprechen. Ein Ersatz der Abmahnkosten nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag scheide aus. Zu kommentieren ist, dass zahlreiche Abmahnungen wohl nie dem mutmaßlichen Willen eines Anspruchsgegners entsprechen. Denn es ist gerade nicht zwingend der kostengünstige Weg im Vergleich zu einem Klageverfahren, wie die Praxis bzw. die außerprozessuale "Preisbildung" bei Abmahnern belegt.

Insbesondere aber an einer berechtigten Abmahnung fehlte es nach Meinung des Gerichts in Fällen wie diesen. Berechtigt sei eine Abmahnung dann, wenn sie objektiv erforderlich ist, um dem Abgemahnten den kostengünstigen Weg aus dem Konflikt zu zeigen bzw. wenn sie notwendig ist, um den Streit ohne ein gerichtliches Verfahren zu beenden. So soll ein kostspieliger Unterlassungsprozess vermieden werden. Droht jedoch gar kein Unterlassungsprozess (weil der Kläger jedenfalls nicht auf Unterlassung, sondern nur auf Schadensersatz klagen will), kann die Abmahnung einen Prozess auch nicht verhindern helfen und ist daher nicht berechtigt. Sie erfolge dann auch nicht im Interesse und mit dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten, so dass auch die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorliegen. Der Beklagte hatte vorprozessual keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und im Prozess darauf hingewiesen und auch moniert, dass es dem Kläger offensichtlich nur um den Zahlungsanspruch, nicht aber um die Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs gehe. Jedenfalls in einem Fall wie diesem, in dem der Beklagte die fehlende Weiterverfolgung des Unterlassungsanspruchs ausdrücklich rügt und keine Unterlassungserklärung abgibt, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Abmahnung unberechtigt war: Der Beklagte hat die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Der Kläger hätte dann aber konsequenterweise seinen Unterlassungsanspruch ebenfalls gerichtlich geltend machen müssen. Dass er das trotz der eindeutigen Erklärung des Beklagten und - später noch - des gerichtlichen Hinweises nicht getan habe, zeige, dass es ihm letztlich nicht ernsthaft um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gehe. Es bestehe dann auch kein schutzwürdiges Interesse des Beklagten, nicht mit einem teureren Unterlassungsprozess konfrontiert zu werden. Denn es stehe ihm frei, eine verbindliche Unterlassungsverpflichtungserklärung auch ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage abzugeben, um so den Unterlassungsprozess zu vermeiden.

Es bleibt abzuwarten, wie andere Gerichte darauf reagieren. Haben Sie ähnliche Probleme, dann kontaktieren Sie uns doch. 

Rechtsanwalt Dr. Palm




Beliebte Posts

Justiz

Justiz
Impression vor dem Justizzentrum Magdeburg

Blog-Archiv