2013/04/19

Probleme der Beibehaltungsgenehmigung - Update

Beibehaltungsgenehmigung

Unser Service

Wir vertreten zahlreiche Fälle von im Ausland lebenden Deutschen, die ihre Staatsangehörigkeit behalten wollen, zugleich aber eine andere Staatsangehörigkeit erwerben wollen. Wir haben die weitaus meisten Mandate erfolgreich bearbeiten können. Das gilt vor allem für Mandanten aus den USA, Neuseeland, Australien.

Das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts regelt auch die Frage der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer ausländischen. Dadurch wird für die in den USA lebenden Deutschen, die die amerikanische Staatsangehörigkeit erwerben möchten, die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht unerheblich erleichtert.

Wichtiger Hinweis: Der Antrag wird zwar bei den konsularischen Vertretungen des jeweiligen Landes, in dem Sie sich aufhalten, eingereicht, aber die Behörde, die entscheidet, ist das Bundesverwaltungsamt in Köln. Wenn wir Sie vertreten, haben Sie den Vorteil, dass wir in unmittelbarer Nähe unserer Kanzlei dieser Behörde  haben. Insofern können hier - wenn es erforderlich wird - direkte Gespräche vor Ort mit Behördenvertreten geführt werden. Im Fall der Klage vertreten wir Sie dann vor dem Verwaltungsgericht in Köln bzw. dem Oberverwaltungsgericht in Münster, sodass hier keine besonderen Kosten entstehen.


Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vermeiden

Grundsätzlich gilt allerdings beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, dass die deutsche Staatsangehörigkeit verloren geht (§§ 17 Nr. 2, 25 Abs. 1 StAG). Eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit an den freiwilligen, antragsgemäßen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit knüpft, begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, denn der Verlust tritt aufgrund von Handlungen des Betroffenen ein, die auf einem selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss gegründet sind, hat das BVerfG 2006 entschieden. Die unter Umständen sich ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei nicht als solche schon unzumutbar. Sie sei Folge der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Die Entscheidung über den Antrag über die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 25 Abs. 2 StAG voraussetzt, private und öffentliche Interessen abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, wird vor allem darauf abgestellt, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland hat. Man sollte klar sehen, dass es im Blick auf die Rechtsprechung und das (folgende) Gesetz keine Routine ist, Mehrstaatigkeit zuzulassen, auch wenn gilt: Die Vermeidung oder Beseitigung von Mehrstaatigkeit hat spätestens seit der Gesetzesänderung keinen grundsätzlichen Vorrang mehr, vgl. BVerwG 2008. Vielmehr sind nach dem Bundesverwaltungsgericht die privaten Interessen des Einzelnen an der Begründung oder Beibehaltung einer doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeit prinzipiell gleichrangig mit dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit abzuwägen.

Zu Art. 16 GG

Ein Blick in das Gesetz: 

§ 25 StAG Den gesamten Gesetzestext finden Sie hier >>

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag ... des gesetzlichen Vertreters erfolgt, ... der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

Solche Bindungen könnten unter anderem sein: Beziehungen zu (nahen) Verwandten (Name und Anschrift der Verwandten, Art und Umfang der Kontakte), Eigentum an Grundstücken und eigengenutzten Wohnungen, Renten- oder Versicherungsleistungen, Firmenanteile, Spar- und Girokonten, Schul- und Berufsausbildung in Deutschland, regelmäßige Reisen nach Deutschland, langjährige Inlandsaufenthalte (Also Dokumente vorlegen!).

Fortbestehende Bindungen an Deutschland können auch gegeben sein bei Angehörigen international tätiger, auch ausländischer Unternehmen und Institutionen oder anderer Personen, die aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen ihren gewöhnlichen Aufenthalt zwar längerfristig, aber doch nur vorübergehend ins Ausland verlegt haben, wenn die Tätigkeit im Ausland im deutschen Interesse liegt, oder bei deren Ehegatten und Kindern. Eine spätere Übersiedlung nach Deutschland wird nicht gefordert.

Nach den Neuregelungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz muss es einen plausiblen Grund für den angestrebten Erwerb der us-amerikanischen Staatsbürgerschaft geben. Solche Gründe können etwa sein: Vermeidung oder die Beseitigung von erheblichen Nachteilen, insbesondere wirtschaftlicher und vermögensrechtlicher Art. Das können erbrechtliche, steuerrechtliche Gründe sein. Oft ist es hilfreich bis unabdingbar in diesen Fällen die berufliche Situation zu betrachten, die den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit mitunter nahelegt oder gar gebietet. Von deutschen Konsulaten in Amerika wird auch das Problem erwähnt, dass im Fall von Scheidungen/Trennungen insbesondere das Sorgerecht eher auf den amerikanischen (Ex)Ehegatten übertragen wird. Allerdings wird dieser Gesichtspunkt vom Bundesverwaltungsamt in Köln nicht genannt, sodass wir eine Argumentation, die sich alleine darauf stützt, für nicht unproblematisch halten. Insbesondere ist das ein Aspekt, der auch empirisch davon abhängig ist, ob tatsächlich eine solche vorurteilsvolle Familienrechtsprechung existiert.

Wichtig wären auch Vor- bzw. Nachteile bei der Sozialversicherung, Renten, Ausbildung oder im Rahmen der Berufsausübung. Doch auch geschäftliche Beziehungen und selbst der Erwerb von Immobilien können bei dieser Ermessensentscheidung eine Rolle spielen. Wichtig ist es Unterlagen vorzulegen über die konkreten Nachteile, z.B. bei Aufträgen der öffentlichen Hand, der Vergabe von Stipendien oder sonstigen Fördergeldern, im Blick auf Sozialleistungen (Krankenversicherung), Ausbildung etc.

Also muss man "zweispurig" begründen: Insoweit müssen also sowohl Gründe für die Beibehaltung der alten als auch Gründe für den Erwerb der neuen (zusätzlichen) Staatsangehörigkeit bestehen.

Ehegatten von im Ausland lebenden deutschen Wissenschaftlern, die Staatsangehörige des Aufenthaltsstaats unter Beibehaltung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit geworden sind, braucht nicht schon im Hinblick auf die Einheit der Staatsangehörigkeit(en) in der Familie die Beibehaltung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit genehmigt zu werden, falls sie aufgrund Antrag oder Erklärung ebenfalls die andere Staatsangehörigkeit zu erwerben beabsichtigen, befand der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Ältere Entscheidung, die existenzielle Probleme im weiteren Wortsinne für die Beibehaltung fordert, 12 UE 1133/92).

Aber Vorsicht! Allgemeine Nachteile, die jeden Ausländer treffen, haben keine Bedeutung bei dieser Abwägungsentscheidung. Das fehlende Wahlrecht, die Notwendigkeit, sich eine Aufenthaltserlaubnis (Resident Alien Card) zu besorgen oder der Ausschluss von hohen Regierungsämtern sind nicht geeignet, aus deutscher Sicht als Nachteil anerkannt zu werden. Letztlich müssen es ökonomische Effekte sein, auf die abzustellen ist.

Die Neuregelung sieht auch vor, dass die Leistung eines Loyalitätseids bei der Einbürgerung dann nicht der Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung entgegensteht, wenn der ausländische Staat eine der Bundesrepublik Deutschland vergleichbare staatliche und gesellschaftliche Ordnung aufweist. Das ist bei den USA der Fall. Dies gilt gerade für deutsche Staatsangehörige in den USA, die die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erwerben möchten.


Formalia

Die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Antragserwerb der us-amerikanischen Staatsangehörigkeit setzt voraus, dass ein schriftlicher Antrag auf Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung gestellt wird. Der Antrag ist, wenn sich der Antragsteller im Ausland aufhält, über die zuständige Auslandsvertretung (Botschaft oder zuständiges Konsulat) zu stellen. Von dort wird der Antrag mit einer Stellungnahme an das Bundesverwaltungsamt in Köln zur Entscheidung weitergeleitet.

Sofern Sie Ihren Lebensmittelpunkt im Inland haben, sind die jeweiligen Staatsangehörigkeitsbehörden zuständig. Das kann etwa eine Bezirksregierung sein, der man den Antrag über die Wohnortbehörde vermittelt oder direkt ihr vorlegt.


Zeitpunkt der Antragstellung

Wichtig: Sowohl Antragstellung als auch Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung müssen vor dem Erwerb der ausländischen Staatsbürgerschaft erfolgen, da ansonsten der Erwerb ohne vorherige Genehmigung gemäß § 25 Abs. 1 StAG den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge hat.

Für die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung sind Nachweise bzw. die Glaubhaftmachung fortbestehender Bindungen an Deutschland erforderlich. Weiterhin - siehe oben - müssen die Gründe genannt werden, warum man US-Bürger werden will.

Dem Antrag sind Kopien des Reisespasses und der z.B. Permanent Resident Card beizulegen.

Die Kosten der Beibehaltungsgenehmigung betragen € 255,- (Minderjährige € 51,-). Auch bei Ablehnung des Antrages können Gebühren in einer Höhe von bis zu € 191,- festgesetzt werden. Fristen - Beibehaltungsgenehmigung

Sollte die Beibehaltungsgenehmigung erteilt werden, gibt es eine Frist von 2 Jahren, in der die fremde Staatsangehörigkeit ohne Verlust der deutschen erworben werden kann. Sollte die Frist nicht ausreichen, muss ein neuer Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung rechtzeitig gestellt werden. Die Beibehaltungsgenehmigung ist also für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Ausstellung der Urkunde gültig. Sie wird wirksam mit Bekanntgabe an den Antragsteller oder seinen Bevollmächtigten. Wird die fremde Staatsangehörigkeit vor Bekanntgabe oder nach Ablauf der Frist erworben, geht die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren. Ist absehbar, dass die fremde Staatsangehörigkeit nicht innerhalb der Gültigkeitsfrist erworben werden kann, besteht nach Auskunft des Bundesverwaltungsamt die Möglichkeit, eine neue Urkunde zu beantragen. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung müssen selbstverständlich auch dann vorliegen.

Schließlich empfiehlt das Bundesverwaltungsamt: "Die erteilte Beibehaltungsgenehmigung dient auch nach Ablauf der Gültigkeit als Nachweis, dass die deutsche Staatsangehörigkeit trotz Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit nicht verloren ging. Daher sollten Sie die Beibehaltungsurkunde gut verwahren. Sie kann auch für künftige Generationen als Nachweis nötig sein."

Anschrift: Bundesverwaltungsamt - 50728 Köln


Ab wann bin ich eigentlich Amerikaner? 

You become a citizen as soon as you take the Oath of Allegiance to the United States .The Oath of Allegiance to the United States of America is the final step in the citizenship process. In some places, you can choose to take the Oath the same day as your interview.

If that option is not available or if you prefer a ceremony at a later date, USCIS will notify you of the ceremony date with a “Notice of Naturalization Oath Ceremony” (Form N-445).  

Rechtsanwalt Dr. Palm

Versorgungsausgleich - Billigkeitsprüfung - § 27 VersAusglG

Gibt es auch Ausnahmen zum Grundsatz des Versorgungsausgleichs zwischen den Parteien? Was gilt bei "Verfehlungen" des Ehepartners?

I. Zunächst gilt zum Prüfungsmaßstab des § 27 VersAusglG, dass es hier unterschiedliche Auffassungen gibt: Die Abänderungsvorschrift des § 51 VersAusglG ersetzt die bis zum 31. August 2009 geltende Regelung in § 10a VAHRG. Anders als § 10a Abs. 3 VAHRG enthält § 52 Abs. 1 VersAusglG in Verbindung mit § 226 Abs. 3 FamFG keine selbständige Billigkeitsklausel, sondern verweist auf § 27 VersAusglG, der für alle Verfahren zum Versorgungsausgleich eine Billigkeitsregelung vorsieht. Nach der zu § 10a Abs. 3 VAHRG ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren bei der Billigkeitsprüfung nur die in der Vorschrift genannten Umstände, also die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Versorgungserwerb nach der Ehe, zu berücksichtigen. Ein Verschulden eines Ehegatten an dem Verlust seiner Beamtenversorgung stand einer Abänderung gemäß § 10a VAHRG deshalb nicht entgegen (BGH 1988 und 1989). 


Eine derartige Beschränkung der zu berücksichtigenden Umstände ist dem Wortlaut von § 27 VersAusglG nicht zu entnehmen. Gleichwohl wird im Schrifttum vertreten, dass § 226 Abs. 3 FamFG die Billigkeitsprüfung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten beschränke. Andere Gründe, etwa ein persönliches Fehlverhalten, seien in die zu treffende Billigkeitsabwägung nicht einzubeziehen. Dagegen wird eingewandt, es sei nicht einzusehen, warum bei der Erstentscheidung alle Umstände in die Gesamtwürdigung gemäß § 27 VersAusglG mit einzubeziehen, bei der Abänderungsentscheidung dagegen nur wirtschaftliche Gründe zu berücksichtigen sein sollen. Diese Ungereimtheit ist nach der Rechtsprechung schon bei § 10a Abs. 3 VAHRG nicht nachvollziehbar gewesen.

Das OLG Oldenburg schließt sich der letztgenannten Ansicht in einer relativ aktuellen Entscheidung aus dem Jahre 2012 an. Sie steht nach Auffassung des Senats im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu § 226 Abs. 3 FamFG, nach der "wie bisher die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, insbesondere der nacheheliche Erwerb von Anrechten, die jeweilige Bedürftigkeit und die Gründe für die Veränderung des Ehezeitanteils und damit des Ausgleichswerts" zu berücksichtigen sind (BT-Drucks. 16/10144, S. 98). Der Gesetzgeber hat also die Gründe für die Veränderung des Ausgleichswerts (wie beispielsweise das Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis) ausdrücklich als einen bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigenden Umstand angesehen. Damit ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien eine Rechtfertigung dafür, die Billigkeitsprüfung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten zu beschränken.

II. Bei § 27 VersAusglG handelt es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Vorschrift setzt allerdings andere und, vor allem durch das Merkmal der groben Unbilligkeit, strengere Maßstäbe als § 242 BGB (OLG Bamberg 2012). Danach ist der Versorgungsausgleich dann unbillig, wenn seine rein schematische Durchführung unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, eine dauerhafte gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH 2005; OLG Stuttgart 2011). Eine zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führende grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhafte gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Anwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche.  

1. Im Rahmen der Härtefallprüfung sind zunächst die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen. Maßgebend ist dabei die konkrete Versorgungslage der Eheleute zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Dabei kommt es nicht ausschließlich auf die beiderseitigen Ehezeitanteile an, vielmehr ist auf die gesamte erworbene Altersversorgung im Zeitpunkt der Scheidung abzustellen

Nach den zu § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. entwickelten Grundsätzen kann es eine grobe Unbilligkeit begründen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherung beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt (BGH FamRZ 2007; zur neuen Rechtslage: Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken aus dem Jahre 2011). Kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten und würde der Versorgungsausgleich für den Ausgleichspflichtigen bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten, ist der Ausgleich herabzusetzen oder zu verweigern. Die Gefährdung des angemessenen Bedarfs des Ausgleichspflichtigen und der mit dem Ausgleichsberechtigten gleichrangigen Unterhaltsberechtigten allein genügt allerdings ebenso wenig wie die Fähigkeit des Ausgleichsberechtigten, seinen angemessenen Unterhalt für die Zukunft bestreiten zu können. Die Rechtsprechung verlangt vielmehr eine Kombination beider Umstände (BGH 2007). Insbesondere begründet allein der Umstand, dass der Ausgleichspflichtige auf die Rente angewiesen ist, auch noch keine grobe Unbilligkeit (BGH 1981). Eine Kürzung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommen vielmehr erst dann in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte über Vermögen (Grundbesitz, Kapital) verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, und der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist. Unterhalb dieser Schwelle ist die Ausgleichspflicht grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage unabhängig (BGH 1999). Das gilt sogar dann, wenn der Verpflichtete in Folge des Ausgleichs sozialhilfebedürftig wird oder der Sozialhilfe verstärkt bedarf (BGH 1986).  

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs wird auch nicht allein dadurch unbillig, dass der insgesamt Ausgleichsberechtigte nach der Ehe weitere Anwartschaften erwerben kann, der insgesamt Ausgleichspflichtige aber nicht. Dies gilt grundsätzlich auch bei Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit. Eine Anwendung des § 27 VersAusglG kann etwa dann in Betracht kommen, wenn der Ausgleichspflichtige vorzeitig pensioniert wurde und seine Dienstunfähigkeitspension über Gebühr für den Ausgleich herangezogen wird. Dementsprechend könnte eine Anwendung des § 27 VersAusglG in Betracht gezogen werden, wenn der Antragsgegner "über Gebühr" belastet würde. Dies ist aber nicht der Fall, wenn lediglich ein geringfügiger Ausgleich vorgenommen würde. Auch die angespannte finanzielle Situation des Antragsgegners rechtfertigt nicht ein anderes Ergebnis. Denn allein der Umstand, dass ein Ehegatte aufgrund einer Kürzung seiner Anrechte bedürftig und künftig auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sein wird, genügt für eine Anwendung des § 27 VersAusglG regelmäßig nicht. 

2. Fraglich ist danach, inwieweit andere Umstände herangezogen werden können, die in Verfehlungen gegenüber dem anderen Ehepartner liegen. Grundsätzlich kann eheliches Fehlverhalten, Verschulden vorausgesetzt, zu berücksichtigen sein, selbst wenn es sich wirtschaftlich nicht ausgewirkt hat (OLG Hamm 2011). Diese Verfehlungen müssen jedoch wegen der Auswirkungen auf den loyalen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fallen. Dazu ist nicht nur erforderlich, dass sie sich über einen lang andauernden Zeitraum erstreckt haben. Verbale Ausfälle und einzelne körperliche Angriffe, auch wenn sie zu missbilligen sind, rechtfertigen nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich noch keine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit ist vielmehr allenfalls gerechtfertigt, wenn sich der Ausgleichsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat.

Eine weitere Hürde besteht dann darin, dass auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen ist. Also wäre das Fehlverhalten auf die Ehezeit zu beziehen. Je länger die Ehe dauerte, desto schwer wiegender müssen auch die monierten Verstöße sein. Bei 40 Jahre Ehezeit beispielsweise sind die hohen Anforderungen der groben Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG nicht erfüllt, wenn zu einer Körperverletzung ohne bleibende Schäden in der Regel kommt (So OLG Bamberg 1999). 

Zu beweisen ist nach dem Maßstab der Gerichte, dass sich der Ausgleichsberechtigte vorsätzlich und schuldhaft wiederholter und erheblicher Straftaten gegen die ausgleichspflichtige Antragstellerin schuldig macht. Dabei muss das Verhalten über allgemeine "tätliche Angriffe und Beleidigungen im Rahmen einer krisenhaften Entwicklung" deutlich hinausgehen (OLG Celle 2007). Allerdings sollten diese Umstände im Zweifelsfall gegenüber dem Gericht benannt werden, weil es sich um Wertungsfragen handelt und hier die Darstellung der Details nicht unmaßgeblich sein könnte. 

Rechtsanwalt Dr. Palm

Beliebte Posts

Justiz

Justiz
Impression vor dem Justizzentrum Magdeburg