2008/07/21

Zum Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen vertragsgemäßen Arbeitsplatz zur Verfügung, entsteht keine Arbeitspflicht. Dem Arbeitgeber obliegt insoweit eine Mitwirkungshandlung. Verhaltensbedingte Kündigungen sind bei berechtigter Leistungsverweigerung ausgeschlossen. Dem Arbeitnehmer steht ein die verhaltensbedingte Kündigung ausschließendes Zurückbehaltungsrecht zur Seite, wenn der Arbeitgeber seine Pflicht zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verletzt.

Grundsatz: Der Arbeitnehmer darf von einem bestehenden Zurückbehaltungsrecht nur in den Grenzen von Treu und Glauben Gebrauch machen. Der Arbeitnehmer darf danach unter anderem die Arbeit nicht verweigern, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig gering ist, oder nur eine kurzfristige Zahlungsverzögerung zu erwarten ist, der dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen kann oder aber der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist. 

Es besteht - nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung - kein schützenswertes Interesse des Arbeitnehmers feststellen zu lassen, dass er ab einem gewissen Datum berechtigt ist, die Arbeitsleistung zurück zu halten. Denn entweder ist diese Frage Vorfrage für andere Ansprüche (Lohn, Arbeitsverweigerung) oder aber es fehlt an der Notwendigkeit des alsbaldigen Feststellungsinteresses. Allerdings schafft das natürlich einige Risiken, wenn die Rechtslage offen ist, die Arbeit nicht erbracht wird und der Arbeitgeber kündigt. Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit nämlich unbefugt fern, so entsteht nach der Rspr. mit jedem Tag des Fernbleibens eine neue, für die Kündigung erhebliche Tatsache. Dieser Tatbestand dauert bis zur Wiederaufnahme der Arbeit an, sodass der Arbeitgeber noch zwei Wochen nach dem letzten Fehltag außerordentlich kündigen kann. Zwar kann man sich ggf. noch "herausreden": Beruft sich der Arbeitnehmer zur Entschuldigung seines Fehlverhaltens (Arbeitsverweigerung) auf einen Rechtsirrtum (irrtümliche Annahme eines Zurückbehaltungsrechts), hat er konkret vorzutragen, wie und bei wem er sich nach der Rechtslage erkundigt und welche Auskünfte er erhalten hat. Doch dem ist schwer nachzukommen. Er hat daher konkret vorzutragen, wie und bei wem er sich nach der Rechtslage erkundigt und welche Auskünfte er erhalten hat.

Man sollte also mit dem Zurückbehaltungsrecht als Arbeitnehmer vorsichtig umgehen.

Immer Ärger mit dem Dienstplan Rechtsanwalt

Es gilt der Grundsatz, dass der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit bestimmt im Rahmen des ihm durch den Arbeitsvertrag eingeräumten Direktionsrechts nach billigem Ermessen bestimmen kann. Zwar kann der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrages regelmäßig einseitig die dort nur rahmenmäßig umschriebenen Leistungspflichten des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung näher bestimmen (BAG AP Nr. 27 zu § 611 Direktionsrecht). Dieses Weisungsrecht wird jedoch durch gegenüber dem Einzelarbeitsvertrag höherrangige Gestaltungsfaktoren beschränkt. Die Beklagte hat hier die Grenzen des auch für die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts geltenden billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 BGB (BAG AP Nr. 26, 27, 68 zu § 611 BGB Direktionsrecht) überschritten. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Wie erfolgreich kann er sich gegen einen Dienstplan wehren? Interessanter Fall: ArbG Bonn 21.09.2000 - 1 Ca 3447/99 - Eine ordnungsgemäße Ausübung billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass die beiderseitigen Interessen abgewogen und dabei alle wesentlichen Umstände berücksichtigt werden. Dabei sind insbesondere die verfassungs- und einfachgesetzlichen Wertentscheidungen, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie die Risikoverteilung, die beiderseitigen Bedürfnisse und Vermögens- und Lebensverhältnisse zu beachten. Das Ermessen räumt dem Bestimmungsermächtigten zwar einen Spielraum ein, doch die Ausübung des billigen Ermessens ist gemäß § 315 Abs. 3 S. 1 BGB gerichtlich dahingehend überprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind. Wer trägt die Beweislast? Aus der Formulierung des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB folgt, dass derjenige, der die Verbindlichkeit einer getroffenen Leistungsbestimmung für sich beansprucht, beweisen muss, dass sie nach billigem Ermessen erfolgt ist.

Zu berücksichtigen ist die grundrechtliche Wertentscheidung in Art. 6 Abs. 2 GG, die die Familie besonders schützt. Grundrechte finden zwischen den Arbeitsvertragsparteien zwar nicht unmittelbare Anwendung, sind aber im Rahmen der wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln des Zivilrechts "mittelbar" zu berücksichtigen. Der unbestimmte Rechtsbegriff des billigen Ermessens in § 315 Abs. 1 BGB ist verfassungskonform auszulegen. Das Recht der Beklagten, im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigungsfreiheit den Inhalt der Leistungspflicht der Klägerin zu konkretisieren, ist mit dem kollidierenden Grundrecht der Klägerin aus Art. 6 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen. Macht die Ausübung des Direktionsrechts es dem Arbeitnehmer unmöglich, seinem Recht und seiner Pflicht zur Pflege und Erziehung seines Kindes gemäß Art. 6 Abs. 2 GG ausreichend nachzukommen, kann diese Ausübung nicht billigem Ermessen entsprechen. Wenn ein Arbeitnehmer nach dem Dienstplan sich nicht selbst um ein Kind kümmern kann, ist das ein Problem. Eine Wahrnehmung der erforderlichen Personenfürsorge mit Hilfe dritter Personen ist ihr nicht möglich: Zu berücksichtigen ist in solchen Zusammenhängen, ob Verwandte zur Betreuung zur Verfügung stehen oder fremde Hilfe finanziert werden kann. Die Dienstplanänderung war im genannnten Beispielfall für die Arbeitsnehmer auch nicht vorhersehbar. Zu überlegen ist also immer, ob die Probleme bei der Betreuung von Kindern etc. nicht vermeidbar sind. Die Fragen der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Interessenkonflikts bei Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Gefahr seiner Wiederholung stellen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Gesichtspunkte dar, die im Rahmen der Abwägung zu beachten. zu untersuchen ist dann die Voraussehbarkeit, der Wegfall des Hindernisses. Das Bundesarbeitsgericht stellt auch darauf ab, ob an der in Streit befindlichen konkreten Arbeitsleistung ein besonderes betriebliches Erfordernis besteht. Der Einwand der Beklagten, dass eine kollektive Umsetzung des neuen Schichtplans wegen des hohen Anteils an Müttern unter den im Nachtdienst Beschäftigten scheitern müsse, wenn die familiären Umstände zu berücksichtigen wären, kann die Beklagte nicht von der Einhaltung ihrer gesetzlichen Pflichten aus § 315 Abs. 1 BGB befreien.

Mit anderen Worten: Dienstpläne muss man nicht einfach hinnehmen! Mehr dazu www.palm-bonn.de

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Rechtsanwaltskanzlei Dr. Palm

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